Von Buben und Mädchen

Seit ich auf der Welt bin, versuchen fortschrittliche Leute aus Friseurinnen Ingenieurinnen zu machen was bis heute nicht gelungen ist. Es gibt eben Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein. Und wenn ich im TV einen Bericht über eine /natürlich attraktive/ Bauleiterin sehe, die unter einem Schutzhelm über eine Baustelle schreitet, so schaue ich genauer hin. Ihr Job ist es nicht, Betonziegel aufeinander zu schlichten, sondern den Baufortschritt zu zu managen was durchaus einem weiblichen Talent entspricht. Es nannte sich früher Familienführung, damals, als Vati um acht das Haus verließ und um sechs wieder heimkam, damals als Mutti zuhause den Haushalt erledigte, die kranken Eltern pflegte, die Schulaufgaben kontrollierte und das Haushaltsgeld einteilte. Mutti war damals im besten Fall bei Vati mitversichert. 

Es geht also nicht um die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Beruf, sondern um die ungleiche Bezahlung von Berufsparten. 

Männer sind anders und Frauen auch. Ich sehe es zur Zeit an meinem Enkeln. Soll der Enkel der Omi was ins Telefon sagen, dann brüllt er wie ein Stier und röhrt wie ein Hirsch. Er ist fünf. Soll der Enkel der Omi aus dem Zoo berichten, erzählt er begeistert, ein Hubschrauber  wäre durch Luft geflogen. Enkel 2 ist 3. Und meine Enkelin? Sie ist gerade ein halbes Jahr alt, ruhig, angenehm. Sie redet mit. Und hält Händchen. 

Kinder, so sagt man, lernen von ihrer Umgebung, von den Eltern.  Die Buben vom Vater. Der ist weder ein Autonarr, noch brüllt eer herum, Maschinen die Lärm machen interessieren ihn nicht.  Es gibt keinen Fernseher in der Familie und Kindergarten gibt es seit einem Jahr auch nicht. Meine Enkel wachsen seit einem Jahr von der Außenwelt unbeeinflusst auf. Und doch sind sie kleine, wilde Machos. 

Wie meine kleine Enkelin einmal wird? Ich habe keine Erfahrung, habe nur drei Jungs großgezogen, war eine so genannte „Buben Mutter“. Ich sehe nur wie anders die kleine Dame ist. Sie liebt es, gewickelt zu werden, angezogen zu werden, Musik zu hören, und aufmerksam die Umgebung zu beobachten.

Unlängst ertappte ich mich dabei, wie ich fasziniert vor dem Schaufenster eines Kinder-Modengeschäfts stehenblieb. Was für süße Kleidchen! Welches werde ich ihr kaufen? Na eben, sagt mein feministisches Unterbewusstsein, Du prägst sie JETZT schon. Aber dann denke ich an meine drei Söhne wie sie klein waren, an die Tante, die jedem eine Puppe schenkte. Kaum war die Tante draußen bei der Tür, nahmen sie die Puppen an den Beinen und dreschten mit ihnen so lange aufeinander los bis die Puppen kaputt waren. Auch gab es bei uns keine Spielzeug Pistolen oder Gewehre. Macht nix. Die Jungs suchten im Wald Prügel die sie wie Gewehre verwendeten.

Das Schlimmste an den Verhaltensdiktaten während der Pandemie ist es, Kinder in Wohnungen zu sperren. Kinder brauchen Freiheit und viel Bewegung. Kinder brauchen Sport, auch, um Agressionen los zu werden. Alle bedauern, dass Kinder und Jugendliche sich derzeit nicht zum Partyfeiern treffen können. Aber ist es nicht schlimmer, dass sie vor die Glotze verbannt sind? Ich glaube, wir werden in Zukunft noch mehr Psychiater und Augenärztinnen brauchen. Aber auch hoffentlich mindestens so viele Turn-Stunden in den Schulen wie Bildschirmstunden, und das gilt für beide Geschlechter.

Von der Lust am Konsumieren

Brauchnix Kolumne

Nach sechs wunderbaren Quarantäne Wochen am Land musste ich nach Wien.  Es war wie Fasten brechen. Der Brauchnix machte der Lust am Konsumieren Platz.  Warum nicht? Was ist denn eine Stadt? Eine Stadt ist, seit es auf der Welt Städte gibt ein Marktplatz.  Ohne Markt keine Stadt. Urbanität bedeutet auch KAUFEN statt selber machen. Darum auch konnte es passieren dass ein Grüner Vizekanzler nach der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen lächelnd sprach: Leute, tuats fleißig kaufen. Und dass der rundliche Wiener Bürgermeister Ludwig jedem Bürger einen Restaurant-Gutschein verspricht. Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral.

Doch was ist die Moral? Die Moral der Gegenwart ist das Verhindern des Klimawandels. Ein jeder ist dazu aufgerufen. Bereit ist er dazu nicht. Denn es bedeutet Verzicht. Oder zum Beispiel tauschen. Meine Enkel tragen nur Bekleidung, die ihre Eltern von Freunden oder von einer Tauschplatform beziehen. Das ist klug. Dass ich nun im September statt lauter Enkelbuben eine Enkelin bekomme auf die bereits ein Berg lustiger Kleidchen wartet, freut auch mich. Schon wieder gibt es  in Bangladesh einen Arbeitsplatz weniger.

Was habe ich nur alles  am Land nicht gebraucht, weil es einfach nicht da war. Aus den Augen aus dem Sinn. Zwar hätte  ich den Tag damit verbringen können, im Internet nach Angeboten zu surfen, Bedürfnisse zu wecken.  und diese mit Hilfe von Amazon zu befriedigen.  Ich hatte Besseres zu tun.

Noch bin ich im Besitz all meiner Sinne, ich schaue und rieche, ich höre und fühle und handle gern in dem ich mittels von Worten mit Verkäufern spreche. Ich kaufe mit Vergnügen Dinge,  die ich nicht brauche. Wegen der schlechten Luft und der Lärmkulisse fahre ich nicht nach Wien.

In Wien gehe ich immer seltener ins Theater. In einigen  schlafe ich wegen Sauerstoffmangels meistens ein. Die Josefstadt zum Beispiel ist ein einziges Schlaf-Institut. Das Burgtheater  ist sauerstoffmäßig auch nicht viel besser.

Ohne zu konsumieren macht mir das Leben in der Stadt keine Freude. Es geht nicht nur mir so. Denn, wozu  zieht man nach Wien? Der Arbeit wegen? Des Studiums wegen? Auch. Aber auch aus Spaß am Stadtleben, am Ausgehen, am Leute treffen, am Kinder im Kindergärten abgeben und in Ganztagsschulen stecken. Das könnte sich in Zukunft ändern. Ein Home Office mit Garten ist ideal. Ein Home Office ohne Balkon eine Qual. Zurück aufs Land also?

Der Zwang zum Konsumieren wird auch das Land erreichen. Aber er wird ein anderer werden. Roboter werden uns in der Landwirtschaft helfen, Solarpaneele den Strom liefern, das Breitband-Internet uns schneller mit der ganzen Welt verbinden und das Handeln mit Produkten erleichtern.

Friederun Pleterski

Vom Luxus des Einfachen

Ich lebe in einem einsam gelegenen Haus , ganz oben am Berg, umgeben von Weide, Wald und Wiesen. Eine Streusiedlung ist in der Nähe, ein Gasthof und eine Kirche.

Ich will Positives berichten, Geschichten erzählen von Begegnungen und Muße, von Beobachtungen in der Natur und im Haus und vom Spazieren gehen. Und ich will Erinnerungen in die Gegenwart retten.. 

Am Beginn der Texte wird der aktuelle und ortsbezogene Wetterbericht stehen. Das Kalenderdatum ist in meiner isolierten Situation nicht wichtig, wie so Vieles das wir für wichtig erachten. Das JETZT zählt. Das JETZT in dem man auch von einer anderen, einer besseren Zukunft träumen kann.

 Weitere JETZT Kolumnen werden nebenher als praktische Tipps folgen. Ich werde aus meinen Ratgebern zitieren, die Themen sind Zeitmanagement, Gesundheit, Garten und das gute. das einfache Leben.

Zum Schluss noch eine Bitte: wenn Ihr meine Bücher bestellt, dann bestellt sie doch bei Eurem Buchhändler. Die meisten Buchhändler bieten einen online Service an. Mein Buchhändler ist unter folgender email zu erreichen: Bestellung@besold.at

Friederun Pleterski

Vom Ende der sauren Gurkenzeit

Unser neuer Pfarrer kommt aus Afrika. Er betreut drei ländliche Kärntner Gemeinden und wird wohl noch einige Zeit brauchen um sich an die Sitten und Gebräuche eines wilden Bergvolks zu gewöhnen. 

Er spricht passabel Deutsch, was ihm am Land, wo man eher im Dialekt spricht, nicht weiter hilft. Bei der Segnung der mit Geselchtem und Würsten gefüllten Weih-Körbe unter der warmen Ostersonne hoch oben am Berg  auf der Heiligen Dreifaltigkeit, erzählte er von seinen ersten Begegnungen mit dem Brauch des Jausnens. Er verwechselte nämlich die Begriffe „jauchzen“ und „jausnen“ im Psalm: „jauchzet dem Herrn“ und sprach zu seinen Schäflein: „jausnet dem Herrn“.

Die so genannte Fleischweihe, korrekt „Speisensegnung“  bildet in ländlichen Gemeinden den Höhepunkt und gleichzeitig das Ende der österlichen Fastenzeit.

Der Grund für das christliche Fasten im Frühjahr ist ein profaner: als es noch keine Tiefkühltruhen gab, ging -in unseren Breitengraden -den Menschen ab März das frische Essen aus. Man musste mit allem was  man im Herbst im Keller lagerte, was man eingekocht, eingelegt, getrocknet oder vergraben hatte, haushalten um über die Runden zu kommen. Die Erdäpfel, die Rüben und das Wurzelgemüse begannen auszutreiben, die Äpfel einzuschrumpeln, das Sauerkraut zu faulen. Das Geselchte vom Vorjahr kriegte Würmer, das frisch Geselchte war noch nicht fertig. Denn man schlachtete, der lästigen Fliegen wegen, in der kältesten Jahreszeit.  Von Oktober bis Mai wuchs nichts Essbares im Garten, außer Kohl. Man behalf sich auch mit dem Einlegen von Gemüse in Salz oder Essig. Darum hieß die Zeit des Darbens auch: „Die saure Gurken Zeit“. 

Man schnitt die ersten Wiesenkräuter und streute sie auf die Eierspeis. Denn das einzige, von dem man im Frühjahr reichlich hatte waren Eier. Glückliche Hühner legen mehr, wenn der Tag länger wird.

Heute fasten wir aus den verschiedenen Gründen, meist, weil wir vorher zuviel Fressen und nachher auch. Ob das Fasten gesund ist, sei dahin gestellt. Wer daran glaubt, wird vom „Entschlacken“ schwärmen. Wer es für Unfug hält wird es nicht machen. 

Wer tagelang fastet und sich dabei auch mit dem Wassertrinken zurückhält, kann Wunderliches erleben, da Fasten auf die Psyche wirkt. Ein gutes Beispiel ist Jesus höchstpersönlich. Nach seinem vierzigtägigen Fasten in der Wüste erschienen ihm die Geister, vore allem die bösen, um ihn zu verführen. Wohl ähnlich wie sie  einem heidnischen Schamanen erscheinen, der den Saft von Pilzen oder Pflanzen zu sich nimmt. Und ähnlich dem Derwisch, der sich so lange im Kreis dreht bis ihm ganz anders wird. 

Zum Fasten gehört das Fastenbrechen bei dem man einen Apfel oder ein Süppchen zu sich nimmt, um sich langsam wieder an das Essen zu gewöhnen. Das Fastenbrechen mit einer fetten Osterjause ist eine Besonderheit des Alpenlandes und weit radikaler als das  muslimische Fastenbrechen im Ramadan das am Abend eines jeden Tages stattfindet.  

Beide Bräuche  erinnern an den Beginn der Zivilisation, als der Mensch das Mammut erlegte und sich den Bauch voll schlug, solange etwas da war um danach wieder tagelang zu hungern bis der nächste Mammut an der Höhle vorbeikam.

Sich in unserem Schlaraffenland  in dem die tägliche Verführung keine Fata Morgana ist, sondern Realität, eine Fastenkur aufzuerlegen ist eine persönliche Entscheidung die ein jeder für sich treffen mag. Klüger und zivilisierter wäre es, vernünftig zu leben, weniger zu essen, mit dem Süßen zu sparen und auch mit dem Salz. Wer genug Grips im Kopf hat und seinen Körper mag, braucht keine Vorschriften zum Fasten. Denn sie stammen aus Zeiten, die nicht mehr sind.

Wenn Heidelbeeren reisen


Meine Enkel sind vorbildlich. Oder genauer: ihre Eltern sind vorbildlich. Die Kleinen bekommen keinen Zucker zu essen.   Süß sind sie selber.  Sie dürfen tagsüber so viel Obst und Gemüse knabbern, so viel sie wollen. 

Auch ich habe versucht, meine Kinder gesund zu ernähren. Auf eine andere Art. Es gab festgelegte Mahlzeiten, bei drei Kindern war dies schon aus organisatorischen Gründen nicht anders möglich. Für dazwischen gab es einen Teller, auf dem lag ein Berg mundgerecht geschnittener Apfelspalten. Es gab auch Süßes, in bescheidenen Maßen,  wie Schmarrn, Palatschinken oder Zwetschgenknödel.   

Einen Onkel gab es in der Familie, der brachte bei jedem Besuch einen Sack mit Süßigkeiten mit. Erstens um sich bei den Buben einzuschmeicheln, „einweimperln“ wäre der passende Ausdruck. Und andererseits um mich zu ärgern. Aber kaum war der Onkel wieder fort, sperrte ich die Süßigkeiten weg. In einen Kasten in meinem Büro, ganz oben. Natürlich haben die Buben es gemerkt und reden jetzt noch darüber, jetzt, wo sie schon selber Väter sind. Sie behaupten, ich hätte sie um die süßen Geschenke betrogen.

Das machst Du falsch, sagte damals eine Freundin. In ihrer Wohnung stand auf der Kommode immer eine Schüssel mit Zuckerln.  Sie sperrte nichts weg. Ihre Tochter durfte sich davon nehmen, soviel sie wollte. Ich weiß nicht, was aus der Kleinen wurde. Ich habe Mutter und Tochter aus den Augen verloren.

Wenn ich an meine eigene Kindheit zurück denke, fällt mir ein, dass ich bis zum Ende eines Ereignisses in der Volksschulzeit kein Eis bekam. Am Hauptplatz der kleinen Stadt in der ich aufwuchs gab es eine  Konditorei . Der Konditor wusste Bescheid. Wenn unsere Kleine vorbei kommt und ein Eis will, dann gibst Du ihr eine Tüte mit Schlagobers, befahl ihm meine Mutter. Er hielt sich daran und ich glaubte, es sei Eis, wenn ich am Obers schleckte. Von wegen Betrug. 

 Wovor meine Mutter mich schützen wollte? Vor Karies oder vor dem Dickwerden? Ich glaube, sie meinte, man könne sich beim Eis essen verkühlen.  Als die English-Miss die während der Volksschule am Nachmittag zu Privatstunden zu mir kam, davon erfuhr, sagte sie, dass sei Nonsense. Blödsinn. In England dürften die Kinder, gerade wenn sie Halsweh haben, Eis essen.   Meine Mutter war darüber nicht sehr „amused“. Aber die English-Miss war stärker und bald war in der Tüte richtiges Eis zum Schlecken.

Was also macht krank und was macht dick? Es ist, so sagen die Experten,  vor allem das Naschen von Süßigkeiten.  Der Mensch nascht gern. Wer seinen Kindern das Naschen aber  nicht verbieten will, findet nun eine vernünftige Alternative im Angebot: Heidelbeeren. 

Sie sind groß, kugelig und geschmacklos, aber saftig und schön anzusehen. Ihr Kaloriengehalt ist harmlos. Ihr Vitamingehalt unbedeutend. Man gibt sie den Kleinsten auf einem Plastiktellerchen zur Selbstbedienung auf den Tisch und kann ihnen wohlwollend dabei zusehen, wie sie sich eine Heidelbeere nach der anderen vom Tellerchen picken. Wie sie die kleinen Kugeln vorsichtig zwischen die winzigen Finger nehmen und sich in den Mund stecken ist allerliebst. Heidelbeeren gehören zu den ersten Dingen die ein Kind ohne fremde Hilfe essen kann. Alternativ gibt es auch Himbeeren oder Erdbeeren die, wegen ihrer roten Farbe von den Kindern favorisiert werden. Meine Enkel können von diesen Beeren nie genug kriegen. Sie wollen und bekommen sie das ganze Jahr über. 

Längst gibt es diese Beeren in Bioqualität, aber auch die ist in Plastik verpackt.  Zwar hat der  Film „Plastik-Planet“ auch die gesundheitsbewussten Beeren-Eltern tief beeindruckt, aber nicht davon abgehalten, für die Kinder „Bio“ in Plastikbehältern zu kaufen. Oder exotische Früchte zur Auflockerung des Obst-Speiseplanes. Die Gesundheit der Kinder ist wichtiger als die Gesundheit der Wale und des Ozeans.

Wenn meine Enkel bei mir sind, will ich, dass sie sich wohlfühlen. Ich kaufe vorsorglich Heidelbeeren. Es war Februar. Der Enkeltransport (im SUW weil nur in diesem alle Kinderwägen und Schalensitze Platz haben) war noch nicht da und ich vertrieb mir die Zeit des Wartens, indem ich die Schrift auf der Heidelbeer-Verpackung studierte. Nun, woher die Heidelbeeren kamen?  Von weit, weit her. Aus Chile! Sie reisen im Flugzeug, quer über den Atlantik  damit wir gesünder naschen.

Und es sind nicht nur die Heidelbeeren, die reisen. Es reisen die Erdbeeren, die Himbeeren, die Birnen. Können wir denn nicht mehr auf den Sommer warten, wenn die Beeren  bei uns reifen?  

Wie schön war es früher, als es noch Saisonen gab. Man freute sich auf die ersten Erdbeeren aus dem Garten, auf die Himbeeren im Wald und die Heidelbeeren die wir selber oben auf der Alm klaubten. Eine ins Töpfchen, zwei ins Kröpfchen. Wie die dufteten! Und erst die Walderdbeeren! Heute gibt es alles zu jeder Zeit und an jedem Ort. Das Kind – in uns- will alles sofort. Die Logistik macht es möglich dass niemand mehr warten muss. (Ausser auf der Krankenhaus-Ambulanz oder im Stau). Gut für die Umwelt ist es nicht.  Und auch nicht für unsere Enkel. 

Friederun Pleterski

Falten im Knie

Falten im Knie

Nein, beim Schilaufen ist es nicht passiert sondern beim Stiegensteigen. Ein Schnalzer, ein Schmerz – und schon hatte sich der Meniskus „vertschüsst“ (Neudeutsch).  Aber natürlich sage ich, werde ich auf meine Beinschiene und auf meine Krücken angesprochen, dass es in einem Steilhang war, Tiefschnee bis zu den Hüften, Champagnerschnee um es genauer zu beschreiben, eine falsche Belastung, und schon lag ich da. Inklusive Hubschrauber Rettung. Gottseidank, dass ich das Handy dabei hatte, den Lawinenrucksack sowieso. 

Ach ja. Den Schirennläuferinnen dürfen wir es verdanken, dass Krücken nicht mehr auf ein höheres Alter, eine angeborene Behinderung oder eine andere Bresthaftigkeit hin deuten. Immer öfter erleiden unsere Spitzensportlerinnen Bänderrisse und Knochenbrüche, das tut mir für die Helden und Heldinnen der Nation leid, aber für uns, deren Bänder schon ausgeleiert sind, hat  es etwas Gutes. Die  Schienen über engen Leggins an den Beinen sind schick, die Krücken sind bunt und man lacht der Zukunft entgegen.  Bei der OP habe ich zugeschaut. Spannend. Ich hätte doch Chirurgin werden sollen. Mein Knie wird von Tag zu Tag besser, ich übe eisern was mir die Physiotherapeutin auftrug. Die heurige Schisaison kann ich streichen, aber Golfen wird ab Ostern wieder gehen. 

Geahnt habe ich es schon seit Wochen, dass da mit dem Knie etwas nicht stimmt und dass ich mich für den Rest meiner Tage eher dem Golfen zuwenden sollte.  Golfen ist der ideale Sport der Alten. „Golfen Sie schon? Oder haben Sie noch Sex?“Das sagte man früher, als Golfen noch ein exklusiver Sport war. Heute kostet eine Jahreskarte im Golfclub weniger als eine Schiwoche in einem alpinen Gebiet. 

Ja, ein wenig traurig bin ich schon. Jetzt, da ich mir den Tag mit gymnastischen Übungen, mit dem Wegräumen von Geschirr (auf zwei Krücken) und dem Einkaufen (mit Rucksack) vertreibe. Es ist eine logistische Herausforderung.

Aber  es hat auch etwas Gutes. Die Freundinnen und die Freunde sind da, die Kinder, die mir ein Mittagessen bringen oder mit mir ein Lokal besuchen. Und die Mitmenschen. Ich hatte sie immer als grantige, rücksichtslose Leute empfunden, diese Wiener. Nun werde ich eines Besseren belehrt. Sie lassen mir den Vortritt, fragen ob sie helfen dürfen, der Lenker der Straßenbahn wartet mit der Abfahrt bis ich sitze, der Gast im Restaurant öffnet mir die Tür wenn er sieht dass es mir schwer fällt, die Frau aus dem ersten Stock, die ich nur vom Grüßen kenne, fragt, ob sie etwas für mich einkaufen soll. Und wenn ich durch mein Grätzl gehe, werde ich von vielen Leuten gegrüßt, angelächelt,  angesprochen. Nicht jedem erzähle ich die Geschichte vom Tiefschnee am Arlberg. Diese Zeiten habe ich genossen, sie sind schon seit einigen Jahren vorbei. Ich fahre lieber Piste, in der Nebensaison. Ich wäge ab und sage auch die Wahrheit: Diagnose Alterserscheinung. Die Falten im Gesicht, die gibt’s auch im Knie. 

Friederun Pleterski