So schön bleibt Kärnten

Windkraft in KärntenWindräder. Eine Frage der Ästhetik.

Ja, da Hergot hot glacht, wia ers Landle hot gmacht…

Frage: Mit oder ohne Windräder?

Es gibt mehr als ein Kärntnerlied, das die Liebe des Kärntner Völkchens zur landschaftlichen Schönheit seines Landes ausdrückt. Ich bin Kärntnerin und wohne privilegiert: auf einem Berg in der Mitte des Landes. Mit Rundum-Blick, gegen Westen bis zum Glocknermassiv, gegen Süden auf die Mauer der Karawanken, gegen Norden auf die sanften Nockberge, gen Osten auf die Saualm. Wie der gekrendelteTeigrand einer Kärntner Kasnudel umgeben die Bergrücken das weiche Fülle Kärntens. In Kärnten waren und sind die Emotionen stärker als Vernunft. Und vielleicht sind wir ja deshalb das wirtschaftliche Schlusslicht der Nation. Was uns gerade erst jetzt bei der Abstimmung über die Windkraft, egal ist. Wir setzen eben andere Prioritäten und verdienten schon deshalb den LOVE AWARD.

Vor einer Stunde, bevor ich und gerade deshalb, zu schreiben begann, habe ich im Ö1 Kolleg gerlernt, dass sich der Mensch mehr auf das Innere, auf die Natur, auf das Schöne und Gute in der Gemeinschaft besinnen soll und sich nicht dem Konsumterror unterwerfen. Nun, das tut das Kärntner Völkchen seit jeher. Uns ist die Schönheit und die Unversehrtheit unseres Landes eben wichtiger als die Windkraft die mit ihren brutalen ästhetischen Eingriffen unsere Landschaft verschandelt und unseren Blick aufs Ganze beleidigt. 

Selbstliebe, Selbstgenügsamkeit und Zufriedenheit  sind kärntnerische Eigenschaften. Wir sind bescheiden. Keiner übt sich im Protzen. Kärnten ist anders als der Rest von Österreich. Und wenn die Windräder den Osten der Nation mit Energie versorgen, dann ist es gut so. Sie verschandeln die Landschaft im Osten nicht. Sie stören vielleicht die Ohren der Anrainer in ihren großstadtnahen Eigenheimträumen, aber nicht die Augen. Jedem, der mir nicht glaubt empfehle ich von Wien aus, in die Slowakei oder nach Ungarn zu reisen. Nein, wirklich, in dieser ästhetisch vernachlässigbaren Landschaft stören die Windräder nicht. 

Kärnten bezieht 80% seiner Energie aus Wasserkraft. Es ist noch viel Platz für Photovoltaik und Energie aus Holz. Mit beiden Energiequellen ist Kärnten gesegnet. Fünfzig Windräder sind noch geplant, dann sollte es den von der Bevölkerung gewünschten Stopp geben.

Nicht überall ist Kärnten schön, blickt man genauer hin. Gewerbezentren und Shopping Zentren haben sich in die Landschaft gefressen und das urbane Innere der kleinen Städte sterben lassen. Warum also kann man die verbleibende Zahl der bereits bewilligten Windräder nicht in die hässlichen Gegenden stellen die es auch in Kärnten gibt? Beim Autoparken und Einkaufen stören sie nicht.

Friederun Pleterski

Mein Kühlschrank

Mein Kühlschrank 

Jeden Sommer lade ich Freunde in mein Ferienhaus am Meer ein. Ich biete das Quartier. Die Kost müssen sie selber mitbringen

Die Bobos

Sie waren im Jun da. Der Kühlschrank füllte sich mit Avodacos, Mangos, Papayas, Orangen und Melonen. Und mit Unmengen von Stangensellerie. Er soll das gesündeste aller gesunden Gemüse sein. So wird es vom Anthony Williams, dem angesagten Gesundheits Guru, via Internet verkündet. Er verkauft zu seiner propagierten Mangelernährung Vitamine und Mineraliendrinks. Sie stehen auch im Kühlschrank. Meine Gästin  bestellt sie, wie auch die Mangos, im Internet. Alles ist Bio. Obst und Gemüse wird mitsamt den Kräutern aus dem Garten zu Smoothies puriert. Alkohol gibt e nur außer Haus. Brot wird keines verwendet, weil man auf Brot furzt. Mir und den Kindern ist dies egal. Mit dem Einverständnis der Eltern darf ich mit ihnen in die Pizzeria flüchten.

Die Baby Boomer

Jetzt füllt sich der Kühlschrank mit Kulinarik. Mit Frischkäse von Schaf und Ziege, mit gereiftem Paski Sir und Wildschweinsalami, mit Kapern und Oliven, und Spitzenweinen aus Kroatien. Fünf Sorten von Olivenöl stehen am Tisch. Wichtiger als das Bio-Siegel ist die regionale Herkunft. Am frühen Morgen gehen die Freunde in den Hafen und kaufen frischen Fisch. Das Lamm wird vom Bauern angeliefert. Nun  kochte ich gern, so wie ich es auf der Insel lernte: Kalamari-Risotto, Skarpina gedämpft, Gulasch vom Lamm. Die Freundinnen erfinden neue Spaghetti-Variationen. Mit Zitronen, Grapefruits, Sardellenpaste, Basilikum. Der Kühlschrank ist vorwiegend mit Weinflaschen gefült. Gemüse und Obst kaufen wir frisch wenn das Schiff mit der Ware vom Festland kommt. .

Die Ukrainer

Nun wurde der Kühlschrank von einer Familie, die ich seit ihrer Flucht kenne und schätze, gefüllt. Sie kommen vom Asowschen Meer, das schmutzig und grau ist. Haus und Firma fielen den Bomben zum Opfer. Die Adria, azurblau und durchsichtig wie Glas, ist Erholung pur.  Sie brachten zwei Kühltaschen voll mit Schweinsschnitzeln, Wurst, Käse, Champignons und einen riesigen Krautkopf mit und viele kleine Näschereien, Das B heißt nicht BIO sondern BILLIG. Im Kühlschrank kühlten Fanta, Cola und Schaumwein. Täglich wurde gegrillt: Fleisch, Paprika, Pilze, Zucchini. Alles ein wenig zu schwarz, für meine Begriffe. Im Restaurant bestellten die Kinder einen Burger. Alle probierten auch,was neu war für sie: Weißbrot in Olivenöl tunkte, Rosmarin-Kartoffel im Rohr backen.  Sie möchten noch viel lernen,eine besser bezahlte Arbeit finden, und wieder an die blaue Adria reisen. Reisen statt flüchten. Sie haben gute Aussichten.  

Single

Reste aufessen, bis die nächsten kommen. Im Kühlschrank finde ich noch einen Kokosdrink, ein Wildschweinsalami, eine Familienpackung Bergbaron 50% reduziert. Die Nächsten werden Freunde aus Shanghai sein. Ich kenne die chinesische Küche. Die Seegurken am Meeresboden werde ich ihnen nicht zeigen. 

Teures Kroatien

Teures Kroatien

Am 1. Juli 2013, vor genau zehn Jahren trat Kroatien der EU bei. Die Begeisterung der Bevölkerung hielt sich in Grenzen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Was sich geändert hat ist die Bevölkerungszahl. Lebten im Gründungsjahr der Nation 1991 noch über vier Millionen im Land, so sind es heute nur noch 3,6 Millionen. Die Bevölkerung schrumpft. Wer kann, wandert aus. 

Kroatien, so schreibt das österreichische Boulevardblatt  „Krone“ sei bereits teurer als die Schweiz. Für eine Pizzaschnitte zahle man 18 Euro. Recht so. Wer wegen der Pizzaschnitten ans Meer reist, der bleibe besser zuhause im Freibad.

Die Umstellung von Kuna auf Euro am 1. Jänner2023 hat die Preise in die Höhe getrieben. Die Inflation legte noch ein Schäuflein nach. Sie beträgt gefühlte 17 %.

Die durchschnittliche Rente im Land beträgt 400 Euro. Der Durchschnittsgehalt 700 Euro. Man kommt nur über die Runden, wenn man Zimmer vermietet, von der Familie aufgefangen wird oder, was noch besser ist, eine Geldquelle im Ausland anzapft.

Zuwanderung aus Bosnien und Herzegowina gibt es nur saisonal und auch diese ist rückläufig. Dies macht sich auch in der Pflege bemerkbar. Eine Bekannte, die in Zadar ein Pflegeheim für 30 demente Menschen  führte, musste es nun schließen. Sie bekommt keine Pflegekräfte mehr.

Zuwanderer aus dem arabischen Kulturraum sind nicht willkommen. Afrikaner sieht man selten und wenn, dann als Pfarrer in der Kirche. Doch auch sie hat im traditionell katholischen Land Nachwuchsprobleme. 

Seit 30 Jahren steht die junge Nation mit kurzen Unterbrechungen politisch rechts. Davon hört man im nördlicheren Europa wenig, weil Ungarn lauter ist. Seit ihrer tausendjährigen Geschichte als Nummer 2 im Reich der ungarischen Könige, sind die Kroaten so, wie Grillparzer es den Österreichern andichtet:  Sie lassen die anderen reden und denken sich ihren Teil.

Die neue Brücke, die sich über den Fjord von Neum spannt und die Stadt Split mit der  kroatischen „cash cow“ Dubrovnik verbindet, wurde von China finanziert und mit chinesischen Arbeitern erbaut. Yachthäfen wie der von Sukosan haben türkische Eigentümer. Aus der alten Likörfabrik Maraska im Hafen von Zadar soll ein Hyatt 5 Stars superior werden. Soll. In den letzten 30 Jahren wechselte die Immobilie drei Mal ihre Eigentümer, und auch der letzte Deal ist undurchsichtig. 

Die Küste ist ausverkauft, das Hinterland menschenleer und Slawonien, die einstige Kornkammer ungarischer Magnaten ist wieder Großgrundbesitz. 

Kroatien ist ein armes Land, reich an Naturschätzen und kolonialer Kultur. Es gibt zauberhafte, venezianisch geprägte Küstenstädte, uralte Eichenwälder, dunkelgrüne Seen, spektakuläre Wasserfälle, Trinkwasser führende Flüsse, tausend Inseln mit einsamen Buchten und zehn Nationalparks. Den Duft der Pinien, das Singen der Zikaden, die Meeresbrise und die Erfrischung im klaren Wasser der Adria ist – immer noch- gratis. Der Zugang zum Strand übrigens auch. Da wird man wohl 18 Euro für eine Pizzaschnitte ausgeben können. 

Wer mehr über Kroatien backstage lesen möchte, sollte sich das Buch „Typisch Kroatien Ein Blick hinter die Kulissen“ besorgen . Es ist 2014 bei „Styria regional“ erschienen. Autorin:  Friederun Pleterski

Tools

Der Gebrauch von Tools /Werkzeugen ist ein Zeichen höherer Intelligenz, zumindest bei Tieren. Ob es bei den Menschen auch so ist?

Vor über zwanzig Jahren rettete ich ein altes Steinhaus vor dem Verfall. Es steht auf einer kleinen Insel in der Adria. Auf dieser Insel leben nur noch 80 Menschen. Als ich im Jahr 2001 her kam waren es noch 200.

So eine Insel ist eine übersichtliche, kleine Welt. Die Bewohner sind alt. Das kommt daher, dass die meisten hier Rentner sind, Menschen, die Jugoslawien den Rücken kehrten um in Amerika Geld zu verdienen, das sie nach Hause schickten. Sie arbeiteten hart und dachten dabei immer daran, im Alter wieder auf ihre Insel zurück zu kommen. Für die Show und zum  Chillen jedoch ist das alte Insel-Haus der Eltern und Großeltern nicht geeignet. Es hat kleine Fenster, kein Badezimmer und womöglich noch einen Lehmboden im Flur. Dieses Haus muss modernisiert werden und dem amerikanischen Standard angepasst.

Ich denke an den österreichischen Maler Friedensreich Hundertwasser, dem die geraden Linien die „Grausbirnen“ wachsen ließ. Für alle die nicht Österreichisch sprechen: Grausbirnen sind das manifest gewordene Grauen im Kopf. Er schrieb: Einst war das Lineal das Werkzeug der Könige, nun trägt es jeder Depp in seiner Hosentasche. 

Geprägt von Hundertwassers krummen Linien und fehlenden rechten Winkeln, engagierte ich zwei bosnische Waldschrate: Stipe und Pipo. Sie sollten mein altersschwaches Haus so restaurieren, dass es den Charme des Verfalls behielt ohne zu verfallen. Im Garten wollte ich nur Pflanzen setzen, die es überall in der Inselnatur gibt: Lorbeer, Sommerflieder, Feigenbäume und Wildrosenhecken.  

Für Installationsarbeitern nahm ich eine professionelle Firma. Für das Flicken alter Mauern, für das Ausgraben der Pflanzen in der Natur und das Suchen antiker Steinreste  waren Stipe und Pipo zuständig.

Die Beiden waren kurz nach dem Balkankrieg auf der Adia-Insel gelandet. Verwandte waren schon vor dem Krieg aus einem kroatischen Dorf im serbischen Teil Bosniens geflüchtet. In Bosnien hatten sie von einer kleinen Landwirtschaft gelebt und im Wald gearbeitet.  Alles hatten sie selber gemacht, sogar die Zähne haben sie sich selber gezogen. Aber nicht nur die Zahnlücken machten sie auf der Insel zu Menschen zweiter Klasse.

Einen der  heimgekehrten Amerikaner sah ich gern.  Er kam ihm gleichen Jahr wie ich auf die Insel. Er, um seinen Lebensabend hier zu genießen, ich, um mehr als ein einziges altes Haus  vor der drohenden Modernisierung zu retten.  Und während ich mit Stipe und Pipo am musealen Erhalt alter Bausubstanz feilte, machte der Amerikaner aus krumm und alt gerade und neu. Aus Amerika brachte er gleich drei Container voller „Tools“ mit: stapelbare Kübel in allen Größen, Bohrer die wie Maschinengewehre aussahen, Gasgriller, geeignet für die Verpflegung einer Kompanie, Tiefkühlgeräte für das Einfrieren von 20 Kilo schweren Zahnbrassen, die er zu Fangen gedachte. Ich sah bei ihm den ersten Laubbläser meines Lebens und erfuhr, was Amerika ausmacht: bigger is better.  Alles war überdimensional und passte nicht durch die Eingangstür. Er schnitt den Türstock heraus und ersetzte die Tür durch ein Rolltor.

Manchmal inspizierte er den Baufortschritt bei mir. Dieser war nicht unbedingt sichtbar. Stipe arbeitete mit Hammer und Sichel. Pipo mit Spaten und Schaufel. Es ging langsam voran. Die Schaufel war ziemlich verbogen. Er hatte sie aus Bosnien auf die Insel mitgebracht. 

Der Amerikaner schüttelte den Kopf. „Ihr hab keine Tools hier“ sagte er. „Der Mensch braucht doch Tools. Werkzeuge. Für alles einen verlängerten Arm.“ 

Das verlängerte Gehirn, die KI im Hausbau, die alles perfekt und eintönig macht, erlebte er nicht mehr. In seinem mit Technik voll geräumtem Haus war er selten. Meist sass er unter einem Baum, rauchte und blickte glücklich hinaus aufs Meer. Dann starb er.

Mein Haus wurde fertig und ergraut jetzt mit Würde. Und noch heute halte ich es für das schönste Haus auf der Insel. Vorbildwirkung hat es nicht. Sie wollen, dass ihre alten Häuser wie neue aussehen. 

Stipe und Pipo kauften einen Bagger und eine Betonmischmaschine. Aus Bosnien holten sie die Arbeiter nach Bedarf. Die Bauarbeiter wanderten in den Tourismus ab. Heute bauen Stipe und Pipo wieder selber, sie stellen Häuser aus Fertigteilmodulen zusammen. Eins nach dem anderen die ganze dalmatinische Küste entlang. 

Ob er sich im Grab umdrehen würde, der Friedensreich Hundertwasser? In der Tasche eines jeden Deppen steckt heute kein Lineal mehr, sondern ein Tool, ein Zauber-Ding mit dem man alles von überall her bestellen kann, auch Häuser auf die kleinsten Inseln. Auf denen es bald so aussehen wird wie überall auf der Welt, wo sich Menschen Häuser bauen.

KI vs NI

DIESE GESCHOICHTE IST MEINEM WORK LIFE BALANCE BERATER GEWIDMET

Was wäre die künstliche Intelligenz KI oder die natürliche, NI? Ich habe so einen künstlichen Intelligenzbolzen im Garten: meinen Rasenroboter. Unermüdlich fährt er am Grundstück herum, gelenkt von den feinen Drähten im Erdreich. Er arbeitet auch nachts. Sonntags nie. Der Programmierer muss katholisch sein.

Mein Haus liegt mitten in der Natur. Und mit der Natur sollte es sich eine KI nicht anlegen.

Vor einige Jahren eroberte ein schwarzweiß gefleckter Kater mit grünen Augen mein Herz. Eines Tages war er da und hatte wohl beschlossen, von nun an bei mir zu wohnen.  Täglich legte er mir einen toten Maulwurf vor die Haustür. Was sind Maulwürfe nur für niedliche Tiere, mit ihrem samtweichen, schwarzen Fell und den fleischrosa Grab-Händen. Wie grausam ist es doch, so ein liebes Tier umzubringen! Nicht in der Welt des Katers.  Er umwarb mich mit seinen pelzigen Geschenken, wie ein kleiner Kavalier. Nach einem halben Jahr hätte ich das Material für einen Pelzkragen beisammen. Rasenroboter hatte ich damals noch keinen.

Doch kaum hatte der Kater ein Zuhause, und einen Futternapf, wurde er faul. Auf Jagd ging er nur noch zum Spaß. Stundenlang saß er vor imaginären Löchern in der Wiese und fing- einfach Nichts. Das sprach sich in der Maulwurfswelt herum.

Ich kaufte den Rasenroboter, den Kater störte die geschäftige grüne Wanze nicht. Im Gegenteil. Er schaute ihr gerne beim Arbeiten zu und ließ sich dabei von mir kraulen. Die Maulwürfe bekamen viele Maulwurfskinder und brauchten mehr Zimmer.  Sie gruben und gruben. Erstaunlich, welche Mengen an Erde so ein kleiner Tiefbaumeister ans Tageslicht bringt. 

Robbi, so heißt mein Rasenroboter, ist völlig verwirrt, wenn am Rasen, dort, wo gerade noch nichts war, ein Erdhaufen ist. Er nimmt Anlauf, müht sich redlich bei der Besteigung des Erdhügels ab. Ist der Haufen nass, bleibt Robbi stecken. Er schickt mir dann einen Hilferuf, dorthin wo immer ich auch bin, in Wien oder in New York. Ich sitze in einer gemütlichen Bar bei einem Aperol Spritz, erhalte das Signal, die Freundin fragt, ob dies der neue Liebhaber ist. Ja, sage ich, er heißt Robbi und steckt gerade im Dreck.

Nun bin ich schon den zweiten Sommer weder in Wien noch in New York sondern in meinem Haus am Land. Wir sitzen auf einer Bank, der Kater und ich und schauen Robbi beim Mähen zu. Baut ein Erdhügel sich auf, greife ich zur Schaufel. Ich kaufte ein Hochbeet und fülle es mit lockerer Erde aus dem Tunnelbau.

Intelligenz, so lese ich in Wikipedia, bedeutet, dass man Probleme lösen kann.  Robbi löst gar nichts. Da sind die Maulwürfe wesentlich begabter, echte Ingenieure, und erst mein Kater! Er ist ein Ausbund an NI, an natürlcher Intelligenz. Darum habe ich ihn zu meinem Work-Life-Balance Berater ernannt.

Der Drache

Kassenarztpraxen und Ambulanzen werden von Drachen bewacht. 

Die Damen in der Anmeldung sind sich ihrer Macht bewusst. Sie sind wichtig, wichtiger als jeder Patient, auch wenn dieser vor Schmerzen gekrümmt vor der Festung steht und wartet, bis er an die Reihe kommt Wie lange er warten muss, hängt davon ab, ob vor ihm einer wartet, dem nichts anderes zu tun hat, da er ein Profi ist. Simulieren und Tachinieren auf Krankenschein ist sein Metier.  

Covid war eine wunderbare Gelegenheit, Macht auszuüben.  Hatte der vom Schmerz Gezeichnete  eine Maske vergessen, so konnte es passieren, dass ihn der Drache hinter der Plexiglaswand  anschnauzte, er habe sich sofort eine Maske aufzusetzen. „Ja, aber“, im Radio haben sie doch gesagt, jetzt ist keine Maskenpflicht mehrt“….. ! „Nicht bei uns“. Argumente dagegen helfen nicht, auch nicht beim Zahnarzt der Dir fünf Minuten später in den offenen Mund schaut. Die Drachen aller Kassenpraxen greifen dann unter die Tischplatte  und holen  eine Maske hervor. „1Euro“. 

Mit zitternder Hand greift der kranke Mensch nach seiner e-card, die wie fest  geklebt im Plastikkartenfach der Geldbörse steckt. Schließlich hat er es geschafft, sie aus dem engen Schlitz heraus zu ziehen, wobei ihm die Geldbörse auf den Boden fällt.  Gelangweilt schaut der Drache zu, kann ja nicht hervor, hinter seinem Plexiglas-verschlag und dem Patienten helfen die Münzen aufzuklauben.

Es ist kein Vergnügen, Kassenpatient zu sein.  

„Kommen Sie in sieben Wochen wieder“ spricht der Drache, dessen einzige Funktion es ist, Doktor und Doktorin gegen die prekäre Welt da draußen abzuschirmen.

Die Schmerzen waren nicht harmlos. Er hätte früher zur Chemotherapie kommen sollen. Was ihm jetzt nichts mehr nützt.  Onko Ambulanz. Alle drei Wochen hängt er stundenlang an den Infusionen. Weiß nicht, ab der Krebs schon verschwunden ist. Kahlköpfig steht er vor der  gläsernen Festung und schiiebt seinen letzten CT- Befunde dem Drachen in den Schlund.  „Ziehen  Sie Ihre Nummer“ spricht dieser,  er ist  heute Morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden und leidet immer noch an Post Covid mit drohendem Burnout.

Nun,  nichüberall müssen Kassenpatienten gegen Drachen kämpfen. Landarztpraxen sind froh über jeden Patientenbesuch. Ich frequentiere so eine Praxis, fürs Grobe. Ein lieber Empfang. Eine nette Ärztn. Ein paar Jahre ordiniert sie noch, dann geht sie in Pension. Nachfolger sind nicht in Sicht. Die eigenen Kinder wählten als Beruf „ Wahlarzt.“ Mit freundlichen Damen im Empfang wofür der Patient zahlt.

Sneakers

Sie sind die beste Erfindung der letzten Jahrzehnte“ sagte meine Mutter. Sie nannte die Erfindung „Tennisschuhe“. Ein Leben lang hatte sie sich mit Stöckelschuhen die Füße ruiniert. Mit genagelten Wanderschuhen („Goiserer“) konnte sie schließlich nicht im Büro sitzen oder hinter der Budel stehen.  Die Füße taten ihr aber nur so lange weh, bis die ersten Sneakers auf den Markt kamen und sie sich dazu  entschloss, auch zu eleganten Kleidern weiße Turnschuhe zu tragen. Die sahen, bei ihrer Schuhgröße Nummer  42 ziemlich Mickymaus mäßig  aus, zumal ihre Beine schlank, beinah dünn waren.  Sie behauptete glücklich, das Tragen dieser bequemen „Treter“  hätte ihr Leben zum Guten verändert. 87ig jährig starb sie an den Folgen eines Unfalls. Trotz ihrer bequemen „Treter“ stürzte sie die Treppen im Konzerthaus  hinab.

„Treter“ nannte man früher bequemes, weil ausgetretenes Schuhwerk. Heute sagt man dazu „Sneaker“. Diese Sneaker haben die Welt erobert.

Viele Arten gibt es davon, solche mit dicken bis monstruösen Sohlen für das Laufen am Asphalt. Andere mit Profilsohle für das Wandern im Gras.  Kabarettisten und Showmater tragen sie besonders gern. (Vielleicht wegen ihrer Hühneraugen). Es gibt sie in allen Preiskategorien, für Sommer und Winter und gewöhnt man sich an sie, dann bleiben alle anderen Schuhe im Schrank. Und- wie groß oder klein der ökologische Fuß-Abdruck eines Menschen heute auch sein mag. Ich glaube, dass jeder zweite Schuhabdruck auf dieser Welt von einem Paar Sneakers stammt.

Witwenküsse Roman

Der historische Roman „Witwenküsse“ erzählt vom Leben einer toughen Frau die im 16. Jahrhundert lebte. Durch ihr kaufmännisches Talent wurde die Villacher Kaufmannstochter zu einer reichen Frau die Geld verlieh. Kaiser und Erzbischöfe waren finanziell von ihr abhängig. Ihre sechs Ehemänner waren ideale Lebensabschnittspartner die sie sich selber aussuchte. Der letzte, ein Schwarzenberg, beerbte sie schließlich und begründete mit ihrem Vermögen den Reichtum und die politische Macht der Familie

Unterm Kopftuch

Kürzlich fuhr ich im vollbesetzten Zug von Wien nach Kärnten. Neben einer jungen und offensichtlich islamischen Frau war noch ein letzter Platz frei. Sie war mir sofort und unaufgefordert mit dem Gepäck behilflich, bald kamen wir ins Plaudern.  Sie erzählte von sich, ich von mir, die Zeit verging rasch. Ihr Deutsch war einwandfrei. Sie stammte aus Marokko, hatte dort Rechtswissenschaften studiert und als Fremdenführerin in Marakesch gearbeitet. Dabei verliebte sie sich in einen Touristen, einen Österreicher mit islamischem Background. Nach längerer Hin- und Her Fliegerei heirateten sie.   Die Ehe blieb kinderlos.  Ein Scheidungsgrund. Was fängt man nur mit kinderlosen Frauen an? Lag der Grund vielleicht bei ihm? Ich äußerte diese Vermutung. Sie hatte Vieles versucht, um schwanger zu werden. Er nicht. Mag sein  dass er unfruchtbar ist, sagte sie. Nun sei sie alleine und berufstätig. Sie leite ein Büro an das sich Asylanten wenden können. Sie betreut vorwiegend junge Männer aus Afghanistan. Mit ihnen spiele sie immer Fußball. So, im langen Kleid? Aber ja. Auf die guten Schuhe komme es an. Fußball sei ihre Leidenschaft.  Im Moment sei sie ziemlich angespannt, denn es ist Ramadan. In dem machen die Jungs die Nacht zum Tage. Diese kräftigen und aufgewecktes Kerle, die nur warten und herumsitzen und nicht arbeiten dürfen, schlafen den ganzen Tag womit sie das Trink- und Ess-Verbot bequem umgehen können. Nachts sind sie dann umtriebig.  Der Ramadan, hält man ihn als Fastengebot ein, sei im Grunde eine gute Sache versuchte sie mir zu erklären. Ihre Oma in Marokko schwöre darauf. Der Ramadam ssei ein Gesundbrunnen. Sie müsste ihn nicht einhalten. Eine Frau jenseits ihrer fruchtbaren Jahre sei davon befreit, so wie Menschen, die krank sind. Dabei schaute sie mich an und fragte nach meinem Alter. Ich sagte: 75. Sie machte mir Komplimente, so wenig Falten hätte ich und so eine gute Figur. Nur die Haare! Nein, diese Haare sind nicht schön ,weil sie weiß sind. Weiße Haare sind ein no-go. Sie musterte mich und empfahl mir, die Haare mit Henna rot zu färben. Ich schüttelte meinen weißen Kopf, erwähnte die Freundinnen deren einzige Sorge während des Lockdowns das Nachfärben des Haaransatzes gewesen sei. Sie mussten sich illegale Frisörbesuche organisieren.  In solchen Fällen, sagte die junge Frau aus der Wüste, trägt man eben auch zuhause ein Kopftuch.  Gute Idee, dachte ich, nicht nur mir stehen Kopftücher gut. 

In Bruck an der Mur stieg sie aus, dort, wo ihre Arbeit ist. Ich sah ihr noch nach wie sie, auf schneeweißen Sneakers dahinschwebte, in ihrem hellblauen, knöchellangen Kleid und dem farblich passenden Kopftuch unter dem das steckt, worauf es ankommt: Köpfchen- und Mut.

Tomaten für Königskinder

„Wann ist mein ökologischer Fussabdruck kleiner? Wenn ich Bio Gurken aus Spanien kaufe oder normale Gurken aus Österreich?“ fragte eine Hörerin in die Sendung punkteins. (Ö1RADIO). Der Fachmann antwortete wie die Sphinx: Kaufen Sie österreichische Biogurken. 

Und natürlich ging es in der Sendung auch um die menschenverachtenden Produktionsmethoden im sonnigen und wasserarmen Süden Europas, aus dem unsere Tomaten stammen, weil wir ja genau JETZT Tomaten essen müssen anstatt auf den Spätsommer zu warten. Dann könnte man sie nämlich tonnenweise kaufen und selber zu Tomatenmark einkochen das – im Übrigen- gesünder ist als es die rohen Tomaten sind. Aber so ist es nun einmal geworden. In unserer Zeit will das Königskind (und wir alle benehmen uns wie Königskinder und zwar aufgrund unserer Prinzenerziehung) das ganze Jahr über was ihm gerade einfällt und das gerade JETZT. Erdbeeren zum Beispiel. Wenn dann die Erdbeeren bei uns reif sind, will das Königskind Marillen und wenn die reif sind….. 

JETZT ist April und würde man sich ans Regionale halten so müsste man sich von  Sauerkraut, Brennnesseln, Löwenzahn, Bärlauch und Brunnenkresse ernähren. Die Äpfel aus dem Keller wären ziemlich schrumpelig.

Vor einigen Jahren bereiste ich im Frühjahr den ehemaligen Süden der ehemaligen Sowjetunion. Dort in Uzbekistan war es auf den Bauernmärkten  ziemlich übersichtlich was das Angebot an Gemüse anlangte. Es gab nur Orangen als Obst, das  bunte Gemüse war nicht frisch  sondern sauer eingelegt: von roten Rüben bis zu Krautköpfen.

Weil ich gerne gesund ass, schenkte mir meine Mutter zu Ostern keine Schoko-Eier, sondern einen Ananas.Vor 60 Jahren war sie ein Stück Luxus. Meine Mutter hingegen wünschte sich zu ihrem Geburtstag im Februar eine Kiste Blutorangen. Die sind noch heute Luxus. Vor zwei Wochen zahlte ich 1 Euro 70 Cent für das Stück und ich zahlte es gerne. Und stellte mir vor, wie der sizilianische Bauer die Orange handverlesen sorgfältig vom Baum nimmt und in Stroh bettet.

Friederun Pleterski

Die Bücher: Vom Luxus des Einfachen. / Die Freuden des Landlebens/ sind im Internet verfügbar.