Mein Kühlschrank
Jeden Sommer lade ich Freunde in mein Ferienhaus am Meer ein. Ich biete das Quartier. Die Kost müssen sie selber mitbringen
Die Bobos
Sie waren im Jun da. Der Kühlschrank füllte sich mit Avodacos, Mangos, Papayas, Orangen und Melonen. Und mit Unmengen von Stangensellerie. Er soll das gesündeste aller gesunden Gemüse sein. So wird es vom Anthony Williams, dem angesagten Gesundheits Guru, via Internet verkündet. Er verkauft zu seiner propagierten Mangelernährung Vitamine und Mineraliendrinks. Sie stehen auch im Kühlschrank. Meine Gästin bestellt sie, wie auch die Mangos, im Internet. Alles ist Bio. Obst und Gemüse wird mitsamt den Kräutern aus dem Garten zu Smoothies puriert. Alkohol gibt e nur außer Haus. Brot wird keines verwendet, weil man auf Brot furzt. Mir und den Kindern ist dies egal. Mit dem Einverständnis der Eltern darf ich mit ihnen in die Pizzeria flüchten.
Die Baby Boomer
Jetzt füllt sich der Kühlschrank mit Kulinarik. Mit Frischkäse von Schaf und Ziege, mit gereiftem Paski Sir und Wildschweinsalami, mit Kapern und Oliven, und Spitzenweinen aus Kroatien. Fünf Sorten von Olivenöl stehen am Tisch. Wichtiger als das Bio-Siegel ist die regionale Herkunft. Am frühen Morgen gehen die Freunde in den Hafen und kaufen frischen Fisch. Das Lamm wird vom Bauern angeliefert. Nun kochte ich gern, so wie ich es auf der Insel lernte: Kalamari-Risotto, Skarpina gedämpft, Gulasch vom Lamm. Die Freundinnen erfinden neue Spaghetti-Variationen. Mit Zitronen, Grapefruits, Sardellenpaste, Basilikum. Der Kühlschrank ist vorwiegend mit Weinflaschen gefült. Gemüse und Obst kaufen wir frisch wenn das Schiff mit der Ware vom Festland kommt. .
Die Ukrainer
Nun wurde der Kühlschrank von einer Familie, die ich seit ihrer Flucht kenne und schätze, gefüllt. Sie kommen vom Asowschen Meer, das schmutzig und grau ist. Haus und Firma fielen den Bomben zum Opfer. Die Adria, azurblau und durchsichtig wie Glas, ist Erholung pur. Sie brachten zwei Kühltaschen voll mit Schweinsschnitzeln, Wurst, Käse, Champignons und einen riesigen Krautkopf mit und viele kleine Näschereien, Das B heißt nicht BIO sondern BILLIG. Im Kühlschrank kühlten Fanta, Cola und Schaumwein. Täglich wurde gegrillt: Fleisch, Paprika, Pilze, Zucchini. Alles ein wenig zu schwarz, für meine Begriffe. Im Restaurant bestellten die Kinder einen Burger. Alle probierten auch,was neu war für sie: Weißbrot in Olivenöl tunkte, Rosmarin-Kartoffel im Rohr backen. Sie möchten noch viel lernen,eine besser bezahlte Arbeit finden, und wieder an die blaue Adria reisen. Reisen statt flüchten. Sie haben gute Aussichten.
Single
Reste aufessen, bis die nächsten kommen. Im Kühlschrank finde ich noch einen Kokosdrink, ein Wildschweinsalami, eine Familienpackung Bergbaron 50% reduziert. Die Nächsten werden Freunde aus Shanghai sein. Ich kenne die chinesische Küche. Die Seegurken am Meeresboden werde ich ihnen nicht zeigen.