Brauchnix Kolumne
Nach sechs wunderbaren Quarantäne Wochen am Land musste ich nach Wien. Es war wie Fasten brechen. Der Brauchnix machte der Lust am Konsumieren Platz. Warum nicht? Was ist denn eine Stadt? Eine Stadt ist, seit es auf der Welt Städte gibt ein Marktplatz. Ohne Markt keine Stadt. Urbanität bedeutet auch KAUFEN statt selber machen. Darum auch konnte es passieren dass ein Grüner Vizekanzler nach der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen lächelnd sprach: Leute, tuats fleißig kaufen. Und dass der rundliche Wiener Bürgermeister Ludwig jedem Bürger einen Restaurant-Gutschein verspricht. Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral.
Doch was ist die Moral? Die Moral der Gegenwart ist das Verhindern des Klimawandels. Ein jeder ist dazu aufgerufen. Bereit ist er dazu nicht. Denn es bedeutet Verzicht. Oder zum Beispiel tauschen. Meine Enkel tragen nur Bekleidung, die ihre Eltern von Freunden oder von einer Tauschplatform beziehen. Das ist klug. Dass ich nun im September statt lauter Enkelbuben eine Enkelin bekomme auf die bereits ein Berg lustiger Kleidchen wartet, freut auch mich. Schon wieder gibt es in Bangladesh einen Arbeitsplatz weniger.
Was habe ich nur alles am Land nicht gebraucht, weil es einfach nicht da war. Aus den Augen aus dem Sinn. Zwar hätte ich den Tag damit verbringen können, im Internet nach Angeboten zu surfen, Bedürfnisse zu wecken. und diese mit Hilfe von Amazon zu befriedigen. Ich hatte Besseres zu tun.
Noch bin ich im Besitz all meiner Sinne, ich schaue und rieche, ich höre und fühle und handle gern in dem ich mittels von Worten mit Verkäufern spreche. Ich kaufe mit Vergnügen Dinge, die ich nicht brauche. Wegen der schlechten Luft und der Lärmkulisse fahre ich nicht nach Wien.
In Wien gehe ich immer seltener ins Theater. In einigen schlafe ich wegen Sauerstoffmangels meistens ein. Die Josefstadt zum Beispiel ist ein einziges Schlaf-Institut. Das Burgtheater ist sauerstoffmäßig auch nicht viel besser.
Ohne zu konsumieren macht mir das Leben in der Stadt keine Freude. Es geht nicht nur mir so. Denn, wozu zieht man nach Wien? Der Arbeit wegen? Des Studiums wegen? Auch. Aber auch aus Spaß am Stadtleben, am Ausgehen, am Leute treffen, am Kinder im Kindergärten abgeben und in Ganztagsschulen stecken. Das könnte sich in Zukunft ändern. Ein Home Office mit Garten ist ideal. Ein Home Office ohne Balkon eine Qual. Zurück aufs Land also?
Der Zwang zum Konsumieren wird auch das Land erreichen. Aber er wird ein anderer werden. Roboter werden uns in der Landwirtschaft helfen, Solarpaneele den Strom liefern, das Breitband-Internet uns schneller mit der ganzen Welt verbinden und das Handeln mit Produkten erleichtern.
Friederun Pleterski