Vom Ende der sauren Gurkenzeit

Unser neuer Pfarrer kommt aus Afrika. Er betreut drei ländliche Kärntner Gemeinden und wird wohl noch einige Zeit brauchen um sich an die Sitten und Gebräuche eines wilden Bergvolks zu gewöhnen. 

Er spricht passabel Deutsch, was ihm am Land, wo man eher im Dialekt spricht, nicht weiter hilft. Bei der Segnung der mit Geselchtem und Würsten gefüllten Weih-Körbe unter der warmen Ostersonne hoch oben am Berg  auf der Heiligen Dreifaltigkeit, erzählte er von seinen ersten Begegnungen mit dem Brauch des Jausnens. Er verwechselte nämlich die Begriffe „jauchzen“ und „jausnen“ im Psalm: „jauchzet dem Herrn“ und sprach zu seinen Schäflein: „jausnet dem Herrn“.

Die so genannte Fleischweihe, korrekt „Speisensegnung“  bildet in ländlichen Gemeinden den Höhepunkt und gleichzeitig das Ende der österlichen Fastenzeit.

Der Grund für das christliche Fasten im Frühjahr ist ein profaner: als es noch keine Tiefkühltruhen gab, ging -in unseren Breitengraden -den Menschen ab März das frische Essen aus. Man musste mit allem was  man im Herbst im Keller lagerte, was man eingekocht, eingelegt, getrocknet oder vergraben hatte, haushalten um über die Runden zu kommen. Die Erdäpfel, die Rüben und das Wurzelgemüse begannen auszutreiben, die Äpfel einzuschrumpeln, das Sauerkraut zu faulen. Das Geselchte vom Vorjahr kriegte Würmer, das frisch Geselchte war noch nicht fertig. Denn man schlachtete, der lästigen Fliegen wegen, in der kältesten Jahreszeit.  Von Oktober bis Mai wuchs nichts Essbares im Garten, außer Kohl. Man behalf sich auch mit dem Einlegen von Gemüse in Salz oder Essig. Darum hieß die Zeit des Darbens auch: „Die saure Gurken Zeit“. 

Man schnitt die ersten Wiesenkräuter und streute sie auf die Eierspeis. Denn das einzige, von dem man im Frühjahr reichlich hatte waren Eier. Glückliche Hühner legen mehr, wenn der Tag länger wird.

Heute fasten wir aus den verschiedenen Gründen, meist, weil wir vorher zuviel Fressen und nachher auch. Ob das Fasten gesund ist, sei dahin gestellt. Wer daran glaubt, wird vom „Entschlacken“ schwärmen. Wer es für Unfug hält wird es nicht machen. 

Wer tagelang fastet und sich dabei auch mit dem Wassertrinken zurückhält, kann Wunderliches erleben, da Fasten auf die Psyche wirkt. Ein gutes Beispiel ist Jesus höchstpersönlich. Nach seinem vierzigtägigen Fasten in der Wüste erschienen ihm die Geister, vore allem die bösen, um ihn zu verführen. Wohl ähnlich wie sie  einem heidnischen Schamanen erscheinen, der den Saft von Pilzen oder Pflanzen zu sich nimmt. Und ähnlich dem Derwisch, der sich so lange im Kreis dreht bis ihm ganz anders wird. 

Zum Fasten gehört das Fastenbrechen bei dem man einen Apfel oder ein Süppchen zu sich nimmt, um sich langsam wieder an das Essen zu gewöhnen. Das Fastenbrechen mit einer fetten Osterjause ist eine Besonderheit des Alpenlandes und weit radikaler als das  muslimische Fastenbrechen im Ramadan das am Abend eines jeden Tages stattfindet.  

Beide Bräuche  erinnern an den Beginn der Zivilisation, als der Mensch das Mammut erlegte und sich den Bauch voll schlug, solange etwas da war um danach wieder tagelang zu hungern bis der nächste Mammut an der Höhle vorbeikam.

Sich in unserem Schlaraffenland  in dem die tägliche Verführung keine Fata Morgana ist, sondern Realität, eine Fastenkur aufzuerlegen ist eine persönliche Entscheidung die ein jeder für sich treffen mag. Klüger und zivilisierter wäre es, vernünftig zu leben, weniger zu essen, mit dem Süßen zu sparen und auch mit dem Salz. Wer genug Grips im Kopf hat und seinen Körper mag, braucht keine Vorschriften zum Fasten. Denn sie stammen aus Zeiten, die nicht mehr sind.

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