Falten im Knie

Falten im Knie

Nein, beim Schilaufen ist es nicht passiert sondern beim Stiegensteigen. Ein Schnalzer, ein Schmerz – und schon hatte sich der Meniskus „vertschüsst“ (Neudeutsch).  Aber natürlich sage ich, werde ich auf meine Beinschiene und auf meine Krücken angesprochen, dass es in einem Steilhang war, Tiefschnee bis zu den Hüften, Champagnerschnee um es genauer zu beschreiben, eine falsche Belastung, und schon lag ich da. Inklusive Hubschrauber Rettung. Gottseidank, dass ich das Handy dabei hatte, den Lawinenrucksack sowieso. 

Ach ja. Den Schirennläuferinnen dürfen wir es verdanken, dass Krücken nicht mehr auf ein höheres Alter, eine angeborene Behinderung oder eine andere Bresthaftigkeit hin deuten. Immer öfter erleiden unsere Spitzensportlerinnen Bänderrisse und Knochenbrüche, das tut mir für die Helden und Heldinnen der Nation leid, aber für uns, deren Bänder schon ausgeleiert sind, hat  es etwas Gutes. Die  Schienen über engen Leggins an den Beinen sind schick, die Krücken sind bunt und man lacht der Zukunft entgegen.  Bei der OP habe ich zugeschaut. Spannend. Ich hätte doch Chirurgin werden sollen. Mein Knie wird von Tag zu Tag besser, ich übe eisern was mir die Physiotherapeutin auftrug. Die heurige Schisaison kann ich streichen, aber Golfen wird ab Ostern wieder gehen. 

Geahnt habe ich es schon seit Wochen, dass da mit dem Knie etwas nicht stimmt und dass ich mich für den Rest meiner Tage eher dem Golfen zuwenden sollte.  Golfen ist der ideale Sport der Alten. „Golfen Sie schon? Oder haben Sie noch Sex?“Das sagte man früher, als Golfen noch ein exklusiver Sport war. Heute kostet eine Jahreskarte im Golfclub weniger als eine Schiwoche in einem alpinen Gebiet. 

Ja, ein wenig traurig bin ich schon. Jetzt, da ich mir den Tag mit gymnastischen Übungen, mit dem Wegräumen von Geschirr (auf zwei Krücken) und dem Einkaufen (mit Rucksack) vertreibe. Es ist eine logistische Herausforderung.

Aber  es hat auch etwas Gutes. Die Freundinnen und die Freunde sind da, die Kinder, die mir ein Mittagessen bringen oder mit mir ein Lokal besuchen. Und die Mitmenschen. Ich hatte sie immer als grantige, rücksichtslose Leute empfunden, diese Wiener. Nun werde ich eines Besseren belehrt. Sie lassen mir den Vortritt, fragen ob sie helfen dürfen, der Lenker der Straßenbahn wartet mit der Abfahrt bis ich sitze, der Gast im Restaurant öffnet mir die Tür wenn er sieht dass es mir schwer fällt, die Frau aus dem ersten Stock, die ich nur vom Grüßen kenne, fragt, ob sie etwas für mich einkaufen soll. Und wenn ich durch mein Grätzl gehe, werde ich von vielen Leuten gegrüßt, angelächelt,  angesprochen. Nicht jedem erzähle ich die Geschichte vom Tiefschnee am Arlberg. Diese Zeiten habe ich genossen, sie sind schon seit einigen Jahren vorbei. Ich fahre lieber Piste, in der Nebensaison. Ich wäge ab und sage auch die Wahrheit: Diagnose Alterserscheinung. Die Falten im Gesicht, die gibt’s auch im Knie. 

Friederun Pleterski

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